7. August 2011
Schwein gehabt, Nördlingen.
Nördingen, an der Romantischen Straße zwischen Augsburg und Rothenburg ob der Tauber gelegen, gilt als der Tourismusmagnet im Norden des bayerischen Regierungsbezirks Schwaben. Gerade auch unter italienischen Gästen steht der kreisrunde und vollständig von einer begehbaren Stadtmauer umschlossene historische Stadtkern hoch im Kurs. Per una buona ragione.
Wer sich über die touristisches Beliebtheit des bayerisch-schwäbischen Mittelalterjuwels wundert, dem sei ein Wochenendtripp ins Rieser Land empfohlen. Nördlingen, die 19.000-Einwohner-Metropole, ist ein geologisches und architektonisches Phänomen in einem. Die Gründer erbauten ihren Ort inmitten einer tellerebenen Landschaft, die vor Jahrmillionen durch einen Meteoriteneinschlag entstanden war. 22 mal 24 Kilometer misst der Rieser Krater, der sich vom rund 90 Meter hohen Turm der gotischen St.-Georgs-Kirche, Daniel genannt, gut überblicken lässt.
Innerhalb der Stadtmauer finden indes nicht nur Architektur und Geschichte zu reizvoller Symbiose. Gesegnet ist Nördlingen auch mit allen Attributen einer modernen Einkaufsstadt. Von der Bauernmarkthalle mit ökologisch-regionalem Angebot über Marken-Ausstatter bis zur Spitzengastronomie ist hier alles zu finden – und zur Freude des Besuchers auch fußläufig erreichbar.
Anders als andere geschichtsträchtige Orte Bayerns wurde Nördlingen von den Fliegerbomben des Zweitens Weltkriegs weitgehend verschont. So hat sich die Stadt ihre reizvolle Bausubstanz erhalten – worauf die Nördlinger mindestens ebenso stolz sind wie auf manch kuriose Begebenheit ihrer Stadtgeschichte. Auf eine ganz besondere hat sich der örtliche Stadtmarketingverein besonnen, als es darum ging, den Einkaufssommer 2011 mit einem allgegenwärtigen Key Visual zu bewerben. „So, G’sell, so!“ heißt die Aktion, die auf ein (historisch nicht vollständig) verbürgtes Ereignis verweist. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Tier, das heute als Glücksbringer des Städtchens gilt.
Der Sage nach soll im Jahre 1440 eines Abends eine Frau im Ort unterwegs gewesen sein, um einen Einkauf zu erledigen. Am Löpsinger Tor – einem der vier Zugänge zur Stadt – fiel ihr ein entlaufenes Schwein auf, das sein Hinterteil an einem Torflügel rieb. Dabei sah die Frau, dass das Tor nicht verschlossen war.
„So, G’sell, so!“ soll sie in diesem Moment ausgerufen haben – Ausdruck ihrer Empörung, die den vermeintlich nachlässigen Wächtern galt. Tatsächlich aber hatte die Frau einen Verrat aufgedeckt. Die Wächter gestanden, vom Oettinger Grafen bestochen worden zu sein, in der Nacht das Tor nur angelehnt zu lassen. Eine bewaffnete Schar des Grafen sollte die schlafende Stadt im Handstreich einnehmen.
Ob die gedungenen Verräter wirklich von einer Sau überführt wurden, weiß heute niemand sicher zu sagen – fest steht jedoch, dass anno 1440 zwei Torwächter wegen Verrats hingerichtet worden sind und dass die Nördlinger bis heute ein inniges Verhältnis zu den klugen Paarhufern pflegen.
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